2. SONNTAG der Osterzeit
Evangelium nach Johannes (20,19-31)
Wir haben gerade eine der vielen „Erscheinungserzählungen“ von Jesus gehört. Sie sind uns vertraut. Aber wirklich verstehen, was sie uns sagen wollen, können wir nur wenn wir auf das achten, was „zwischen den Zeilen“ gesagt wird.
Die Freunde von Jesus haben sich eingesperrt. Sie haben Angst. Sie sind durcheinander durch den furchtbaren Tod von Jesus. Und da steht er plötzlich lebendig vor ihnen. Ein Gespenst? Geht mit ihnen die Phantasie durch? Nein, sagt die Erzählung. Jesus zeigt ihnen, dass er wirklich derselbe ist, den sie am Kreuz haben sterben sehen. Seine Wundmale machen das klar. Er steht da wirklich leiblich und lebendig vor ihnen. Deswegen können die Jünger sich freuen. Aber es ist eine andere Leiblichkeit als vorher, sonst hätte er nicht durch verschlossene Türen gehen können. Der Apostel Paulus wird später sagen: Nach dem Tod bleiben wir ganz Mensch, d.h. mit einem verwandelten Körper werden wir als dieselbe Person auferstehen.
Dann haucht Jesus ihnen den Geist Gottes ein, der ihn selbst geführt und getrieben hat. Er erfüllt sie mit neuer Lebenskraft, damit sie eine Aufgabe erfüllen können (im Johannesevangelium geschieht Pfingsten nicht 50 Tage nach Ostern, sondern schon am Ostersonntag!).
Die Formulierung dieses Auftrages ist für uns leicht missverständlich: Sollen sie nur in die Welt ziehen um die Sünden zu erlassen? Wichtig ist es, hier das Wort „Sünde“ in biblischem Sinne zu verstehen. Sünde ist der Zustand in dem wir uns befinden, wenn wir uns von Gott entfernt haben, uns von Gott abgesondert haben, von ihm entfremdet sind.
Es gibt Menschen, die wollen von Gott nichts wissen und nennen sich Atheisten. Andere behaupten, sie könnten Gott überhaupt nicht erkennen, und deswegen kann man über ihn nichts aussagen. Sie bezeichnen sich als Agnostiker. Wieder andere sind über eine kindhafte Gottesvorstellung nie hinausgekommen: Gott ist für sie der alte Mann, mit Bart geblieben. Sie sind weit weg von dem, wie etwa Jesus uns Gott verkündet hat. Aber fern von Gott kann auch ein sehr Frommer sein, der genau weiß, wie Gott zu sein hat und deswegen meint, zu anderen, die z.B. von einem schweren Schicksal getroffen werden, meinen sagen zu können, dass das eine Strafe von Gott sei. Dann gibt es aber auch noch viele, die zwar an Gott glauben, für die Gott aber im praktischen Leben keine Rolle spielt, die keinen Bezug zum ihm haben oder sich in ihrer Lebensgestaltung von keinem Gott etwas dreinreden lassen.
Alle sind von Gott weit weg, und das ist ihre Sünde im ursprünglichen Sinn. Jesus beauftragt also seine Freunde (und auch uns), Menschen mit Gott zu „versöhnen“, ihnen zu helfen, den Weg zu Gott zu finden, damit sie aus Gottesferne in Gottesnähe kommen können.
Und dann tritt Thomas auf den Plan. Ich habe viel Verständnis für ihn, denn was die anderen ihm da über den lebendigen Jesus erzählen, ist menschlich gesehen unmöglich. Thomas ist ein Realist, der nichts von Gespenstern hält. Deswegen sagt er, dass er nur überzeugt werden kann, wenn er mit seinen Händen die Wundmale des Gekreuzigten berühren kann, denn das wäre dann echt. Acht Tage später (die Jünger sind also wieder an einem Sonntag zusammen!) bekommt Thomas die Möglichkeit eine ähnliche Erfahrung zu machen wie die anderen und gibt jeden Widerstand auf. Merkwürdigerweise wird nicht gesagt, ob er tatsächlich seine Finger in die Wundmale legt. Das ist auch nicht notwendig: Die Erfahrung von der realen Anwesenheit von Jesus ist für Thomas so überwältigend, dass er in Jesus Gott erkennt und deswegen zu Gott sagt: „Mein Herr und mein Gott.“ Gott hat Jesus auferweckt, ihm neues Leben gegeben.
Was will der Evangelist Johannes den Gläubigen seiner Gemeinde und so auch uns mit dieser Erzählung vermitteln? Die Christen von Johannes lebten rund 100 n. Chr. und haben, genauso wie wir, Jesus nie gesehen. „Wirklich glücklich zu nennen sind die, die Jesus nicht sehen und berühren können und trotzdem an seine Lebendigkeit, an seine wirkende Anwesenheit unter uns glauben!“ Der Glaube an die Auferstehung, dass Gott Jesus auferweckt hat, ist tatsächlich das alles Entscheidende. Ist Jesus nicht auferstanden, dann würden wir an einen Toten glauben, der nichts mehr bewirken kann. Aber wenn wir an ihn als Lebenden glauben, werden wir selbst ein unzerstörbares, ewiges Leben wie Jesus geschenkt bekommen.
Ich möchte Ihnen raten: Ziehen sie sich einmal in Stille zurück, allein mit sich selbst, und sagen Sie dann zu sich selbst: „Du (nenne dann ruhig den eigenen Namen) wirst ewig leben.“ Stellen Sie dann fest, wie das bei Ihnen ankommt.